Seit dem Kick-off vor zwei Jahren befindet sich das Projekt Justitia 4.0 in der Konzeptphase. In dieser Zeit wurden mit ausgewählten Justizbehörden gewisse technische und fachliche Konzepte sowie geplante Arbeitsabläufe abgebildet und getestet. Ausländische Lösungen der elektronischen Justizakte wurden studiert. Verschiedene Fachgruppen mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Justizbehörden, insbesondere aus Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie aus der Anwaltschaft, diskutierten intensiv während zahlreicher Workshops, sie erarbeiteten Berichte mit ihren spezifischen Bedürfnissen und unterzogen diese einem Review.
Das gesamte Vorhaben ist in drei Teilprojekte unterteilt: die Plattform Justitia.Swiss, die eJustizakten Applikation (JAA) sowie die Transformation. 2021 geht das Projekt nun für die Plattform in die Realisierungsphase. Der überarbeitete Masterplan zeigt die drei Teilprojekte und ihre weiteren Umsetzungsphasen auf (siehe Bild oben).
Plattform Justitia.Swiss
Die Plattform Justitia.Swiss ist der zentrale Pfeiler für die elektronische Kommunikation und die Akteneinsicht. Gemäss dem Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Plattform für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) soll der elektronische Rechtsverkehr für professionelle Anwenderinnen und Anwender (beispielsweise Behörden, Gerichte sowie Anwältinnen und Anwälte) obligatorisch werden. Das Projekt hat zusammen mit Fachgruppen den Scope und die fachlichen Anforderungen an die Plattform definiert. In den letzten Monaten wurde intensiv an den Ausschreibungsunterlagen für die Entwicklung und den Betrieb der Plattform gearbeitet. Das selektive WTO-Verfahren soll im ersten Quartal 2021 gestartet werden. Mit dem Zuschlag wird noch dieses Jahr gerechnet, worauf die Umsetzungsarbeiten in Angriff genommen werden können.
eAkte und eJustizakten-Applikation (JAA)
Bei der eJustizakten-Applikation handelt es sich um den elektronischen Arbeitsplatz, wo die Akten effizient und benutzerfreundlich bearbeitet werden können. Wichtige Funktionalitäten sind beispielsweise die Suche, das zitierfähige Referenzieren, das Markieren, Schwärzen, die elektronischen Notizzettel, Upload, Download, das Anbringen eines elektronischen Siegels, etc. Auch im Bereich JAA wurden zahlreiche Analysen durchgeführt sowie ausländische Lösungen unter die Lupe genommen und getestet. Im Laufe des Jahres 2021 sollen mit verschiedenen Kantonen JAA-Piloten durchgeführt werden. Eine wichtige Frage ist dabei, wie man die JAA mit den bestehenden Systemen (Geschäftsverwaltung und -kontrolle) verbinden bzw. integrieren kann.
Transformation
Das dritte grosse Teilprojekt ist die Begleitung der Transformation in den Justizbehörden, denn Justitia 4.0 ist nicht nur ein IT-Projekt sondern insbesondere ein Transformationsprojekt. Die Fachgruppe «Kommunikation & Transformation» hat 2020 ein Transformationskonzept erarbeitet, das jetzt umgesetzt wird. Im Fokus stehen dabei in einem ersten Schritt die Leitungspersonen. Mit einem Change-Barometer wird 2-3 Mal im Jahr der Puls der Transformationsentwicklung gefühlt, um Widerstände und Blockaden zu erfassen und um die Massnahmen entsprechend auszurichten. Ambassadoren aus den verschiedenen Stammorganisationen werden rekrutiert, eine Wanderausstellung konzipiert, eine Frage & Antwort-Website aufgebaut und verschiedene Workshops entwickelt und durchgeführt.
Gesetzgebungsprozess
Auf politischer Ebene läuft die Vernehmlassung zum Entwurf des BEKJ bis am 26. Februar 2021. Anschliessend werden die Eingaben vom Bundesamt für Justiz ausgewertet. Der Bundesrat nimmt voraussichtlich Ende des Jahres Kenntnis vom Ergebnis der Vernehmlassung, bevor er eine Botschaft ausarbeiten lässt.
Es ist vorgesehen, im ersten Quartal 2021 in einer interkantonalen Arbeitsgruppe die Redaktion einer Mustergesetzgebung für die erforderlichen Anpassungen der kantonalen Rechtssetzung, speziell auch im Bereich des Verwaltungsgerichtsverfahrens und des Justizvollzugs, zu starten.