Zum Inhalt springen

Informatik-Standards der Strafjustizkette (Sicap)

Standardisierung ist der Schlüssel zur erfolgreichen Digitalisierung. Sie sorgt dafür, dass Schnittstellen verschiedener Fachanwendungen die gleiche Sprache sprechen. Daten und Dokumente können elektronisch und ohne manuelle Mehrfacherfassung ausgetauscht werden und Arbeitsabläufe werden automatisiert, Informationen schneller verfügbar und in besserer Qualität weiterverarbeitet. Mitarbeitende werden von fehleranfälligen Aufgaben entlastet und können sich auf die Steuerung und Qualitätskontrolle ihrer Geschäfte konzentrieren. Dafür entwickelt und bewirtschaftet Sicap Standards für die Strafjustiz – siehe Basiskatalog, Fachkataloge –, stellt Werkzeuge zur Umsetzung zur Verfügung und unterstützt bei deren Nutzung. Sicap ist eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen HIS, PTI und dem ISC-EJPD im Rahmen des Vereins eCH für Schweizer eGovernment-Standards.

Standardisierung einfach erklärt

Basiskatalog

Die Version 3 des Standards eCH-0051 wurde aufgrund des Projekts «Redesign eCH-0051» neugestaltet und heisst jetzt Basiskatalog. Der Standard eCH-0051 wird seit 2006 von Polizeibehörden genutzt und wurde zusätzlich um Anforderungen der Justiz- und Justizvollzugsbehörden erweitert, was die Komplexität erhöhte. Um diese zu reduzieren, gibt es neben dem Basiskatalog neu Fachkataloge, die spezifische Anwendungsfälle beschreiben. Das Sicap-Team sorgt für die Abstimmung zwischen Basiskatalog und Fachkatalogen.

Die Hauptänderungen

  • Standardisierungsprinzipien: Im Fokus stehen häufige Anwendungsfälle, bilaterale Schnittstellen und Sonderfälle sind nicht im Fokus. Dies reduziert den Prüfaufwand und die Nachbearbeitung bei den Empfangsstellen.
  • Modularer Aufbau: Der Basiskatalog enthält allgemeine, übergeordnete Attribute bzw. Elemente wie z.B. die AHV-Nummer. Basierend auf diesen können Anwendungsverantwortliche ihre Schnittstellen spezifizieren.
  • Fachkataloge: Fachliche Standards beschreiben spezielle Datenstrukturen und ermöglichen den strukturierten Austausch von gleichen Informationen zwischen einer Vielzahl von beteiligten Stellen. Sie sind nicht Teil des Standards eCH-0051, nutzen aber die Elemente des Basiskatalogs. Fachkataloge erhalten eine eigene eCH-Standardisierungsnummer.

Fachkataloge

Sicap hat bereits einen ersten Fachkatalog erstellt und publiziert. Weitere Fachkataloge sind in Arbeit bzw. Planung und werden folgen.

Fachkataloge publiziert

  • Standard eCH-0280, Datenaustausch bei Strafanzeigen im öffentlichen Verkehr: Wenn jemand den Zuschlag fürs Fahren ohne gültigen Ausweis («Schwarzfahren») nicht bezahlt, kann das Transportunternehmen eine Strafanzeige erstatten. Der Standard eCH-0280 regelt den Datenaustausch zwischen dem Transportunternehmen und den Strafverfolgungsbehörden wie Staatsanwaltschaft oder Stadtrichteramt. Dazu wurde ein Pilotprojekt mit dem Kanton Freiburg realisiert. Seit Frühling 2024 übermitteln die Freiburgischen Verkehrsbetriebe (TPF) die Strafanzeigen über die Plattform justitia.swiss an die Staatsanwaltschaft Freiburg. Ähnliche Anwendungsfälle sind für andere Kantone in Planung.

Fachkataloge in Arbeit

  • Standard eCH-0281, Datenaustausch Polizei – Individualverkehr: Dieser im Rahmen eines Pilotprojekts entwickelte Standard betrifft den Datenaustausch zwischen Polizei sowie Strassen- und Schiffsverkehrsämtern, z.B. bei Meldungen, die zu Massnahmen wie Führerscheinentzug führen. Oder wenn auf Bitte des Strassenverkehrsamts die Polizei Nummernschilder einziehen muss. Die Pilotierung in der Ostschweiz wurde verschoben und wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

Fachkataloge in Planung

Das Sicap-Team plant mit Fachexpertinnen und Fachexperten die folgenden Fachkataloge:

  • Datenaustausch im Polizeiumfeld: Fokus auf die Plattform POLAP, Notruf- und Einsatzzentralen sowie Meldungen von Hotels über die beherbergten Gäste an die Polizei.
  • Datenaustausch Polizei – Staatsanwaltschaft: Fokus auf den Datenaustausch bei polizeilichen Ermittlungen und staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen.
  • Datenaustausch Justiz – Justizvollzug: Fokus auf die Übermittlung von Strafbefehlen mit Freiheitsentzug an die Justizvollzugsbehörden.
  • Datenaustausch im Justizvollzug: Fokus auf die Verbesserung des Datenaustauschs zwischen Justizvollzugsbehörden und den Institutionen wie Gefängnissen. Das Projekt eJustizvollzugsakte zielt darauf ab, Akten künftig elektronisch und ohne doppelte Einträge zu verwalten. Dies könnte dazu führen, dass bisher getrennte Fachanwendungen und Datenbanken zusammengelegt werden.
  • Internationales Busseninkasso: Unbezahlte Bussen im Ausland können mithilfe von Staatsverträgen zwischen den Staatsanwaltschaften beider Länder mit sogenannten Vollstreckungshilfeersuchen einkassiert werden. Zuerst soll der papierbasierte Austausch vereinheitlicht und später elektronisch im Rahmen eines Fachkatalogs abgewickelt werden.

Werkzeuge zur Umsetzung

Sicap entwickelt Werkzeuge zur Unterstützung bei der Nutzung von Standards und ist Bindeglied zu nationalen Übermittlungsplattformen.

Effizienzsteigerung: Referenzwerte/Codetabellen
Informatikanwendungen nutzen regelmässig Referenzwerte, die in Codetabellen organisiert sind (z.B. Länder- oder Sprachcodes). Damit der Datenaustausch reibungslos funktioniert, müssen beide Anwendungen dieselben Codetabellen verwenden und aktuell halten. Einige Werte sind international standardisiert, andere müssen neu erstellt werden, besonders für spezifische Fachbereiche.

Zentrale Bundesanwendungen wie Ripol und Vostra bieten diese Codetabellen bereits an, jedoch fehlen sie für Anwendungen, die über keine zentrale Komponente verbunden sind. Sicap arbeitet zusammen mit dem ISC-EJPD daran, diese Lücke zu schliessen. Aktuell sind die Codetabellen als Übergangslösung zum manuellen Download verfügbar, künftig soll der Zugriff automatisch über Schnittstellen möglich sein.

Qualitätssicherung: SanityCheck-Service
Seit 2019 hilft der SanityCheck-Service von HIS und PTI, die Einhaltung von Standards bei Anwendungsfällen zu sichern. Er überprüft, ob Datenstrukturen korrekt umgesetzt sind. Nicht alle Regeln der verschiedenen Anwendungsfälle lassen sich technisch über das XML-Schema überprüfen, daher sollten neue Exportfunktionen während der Entwicklung regelmässig mit dem SanityCheck-Service getestet werden. So wird sichergestellt, dass die Datenstruktur in der erwarteten Form an die Empfängeranwendung übermittelt wird.

Der SanityCheck-Service einfach erklärt:


Übermittlung: Plattform justitia.swiss
Justitia 4.0 entwickelt die Plattform justitia.swiss für den elektronischen Rechtsverkehr und die elektronische Akteneinsicht. Akten können als Sendungen direkt über eine Schnittstelle (API) zwischen der Plattform und den Fachanwendungen übermittelt und empfangen werden. Die Sendungen enthalten z.B. PDF-Dokumente oder digitale Beweismittel und können auch mit Daten der Fachkataloge ergänzt werden. Seit Frühling 2024 wird justitia.swiss im Kanton Freiburg zur Übermittlung von Strafanzeigen gemäss eCH-0280 genutzt. Weitere Schnittstellenerweiterungen von justitia.swiss sind geplant – auch im Zusammenhang mit der Verbreitung von eCH-0280.

Für automatisierte Übermittlungen, insbesondere im Polizeiumfeld, hat sich die Plattform sedex etabliert. Sie wird auch weiterhin eingesetzt, ausser das künftige Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) schreibt eine ausschliessliche Nutzung von justitia.swiss vor.

Sicap-Organisation

Sicap ist eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen HIS, PTI und dem ISC-EJPD im Rahmen des Vereins eCH für Schweizer eGovernment-Standards. Die eCH-Fachgruppe «Polizei/Justiz» überwacht die Qualität der Sicap-eCH-Standards. Verschiedene Expertengruppen aus Polizei, Justiz und Justizvollzug arbeiten in themenbezogenen Fach- und temporären Arbeitsgruppen zusammen. Die gemeinsame operative Leitung liegt bei zwei Servicemanagern von HIS und PTI. Der Sicap-Ausschuss mit Vertreterinnen und Vertretern der gesamten Strafjustizkette steuert die Arbeiten von Sicap.

Planung und Meilensteine

2024

  • Erarbeitung und Publikation der Standards eCH-0051 (Version 3) und eCH-0280
  • Pilotinstallation für elektronische Strafanzeigen im öffentlichen Verkehr im Kanton Freiburg
  • Neubesetzung des Sicap-Ausschusses und Erweiterung der Sicap-Organisation

2025

  • Sukzessive Erweiterung der Standards mit weiteren Anwendungsfällen
  • Laufende Unterstützung der Umsetzungsprojekte durch Beratung hinsichtlich Verbreitung und Qualitätssicherung
  • Festigung der Sicap-Organisation

Archiv
Übersicht 2017 – 2023

 

Begriffe

Die Definitionen der wichtigsten Begriffe rund um Sicap stehen auf Deutsch und Französisch zur Verfügung. Sie werden laufend ergänzt und aktualisiert.

Sicap-Begriffe (v.1.2)

Kontakt

Haben Sie Fragen zu den Projekten und Services von Sicap ? Am besten erreichen Sie das Service-Team über sicap@his-schweiz.ch

Albano Bernasconi, HIS-Programm
Service-Manager Justiz 

Martin Page, PTI Schweiz
Service-Manager eCH-0051